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Corona und die Weltwirtschaft – ein kurzer Überblick

von Claudia Plam
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Die Weltwirtschaft in der Corona Zeit

2020 brachte ganz was Neues, worauf wir ja nun wirklich gerne verzichtet hätten: Das Corona-Virus, resp. SARS-CoV-2 oder COVID-19.

Seit dem ersten Auftreten des Coronavirus vor gut einem Jahr ist dieses über den Globus hinweggefegt und hat zum einen für einen nie dagewesenen Angebots- und Nachfrageschock gesorgt, Stichwort WC-Papier – das hatte nicht einmal die Finanzkrise 2008 geschafft, aber auch einen Boom beim Online-Handel ausgelöst. Zum anderen zeigte sich die Crux der Globalisierung: Die Corona-Pandemie unterbrach viele Lieferketten durch Grenzkontrollen, Exportverbote und Lockdowns, der Ausfall einiger Zulieferer legte ganze Wertschöpfungsketten lahm.

Beim Versuch dem Virus Herr zu werden, wurde vergangenes Frühjahr vielerorts rund um dem Globus auf einen Lock-down gesetzt. Mitarbeiter wurden ins Home-Office geschickt, Schulen geschlossen, etc., wir erinnern uns. „Ganz“ Österreich blieb zu Hause, fast ganz Österreich trug Pyjama oder pfiff zumindest auf Lagerfeld – ja, jetzt hatten wir die Kontrolle über unser Leben verloren und durften wieder Jogginghosen tragen, die der Couturier, Gott hab ihn seelig, so verabscheute. Österreich shoppte online und sorgte sich.

Und die Wirtschaft? Der Rest der Welt? Die litt.

Wuchs die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren durchschnittlich noch um 1,2% bis 1,5%, so ist sie 2020 eingebrochen. „Es wird zwei bis drei Jahre dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird“, sagte Eric Kirschner vom Institut für Wirtschafts- und Innovationsforschung am Joanneum Research der Wirtschaftskammer Steiermark.

„Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden die Welt noch länger beschäftigen.“ Denn das Virus sorge für strukturelle Verschiebungen, die man nur teilweise abschätzen könne. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder und Regionen hänge aber auch davon ab, wie diese etwa den technologischen Wandel durch die Digitalisierung und den demografischen Wandel meistern werden. Das Coronavirus hat vorhandene Schwachstellen aufgezeigt und mitunter noch verstärkt. „Die gravierendsten wirtschaftlichen Folgen gibt es in Ländern mit strukturellen Problemen und stark dienstleistungsorientierten Ländern“, so Kirschner.

Amerika

In den USA feierte das Virus „dank“ des unfassbaren Weitblicks des abgewählten Präsidenten fröhliche Urständ‘ – frei nach dem Motto der Kleinkinder „wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht“ wurde die Pandemie lange weitgehend ignoriert. Dies hat dem Virus leider einen guten Nährboden bereitet: Über 400.000 Tote durch Covid-19 (Stand 22.1.2021), der frisch angelobte US-Präsident Joe Biden rechnet mit weit über 600.000. „Betrachtet man die Wirtschaft, so dürfte das Land aber schnell wieder aus der Krise herauskommen, schneller noch als Europa“, meint Kirschner. „Der US-Arbeitsmarkt ist weniger starr, die Bevölkerung wächst, der Binnenmarkt ist stark und in vielen Bereichen hat man die Technologieführerschaft.“ Außerdem will Biden ein neues billionenschweres Konjunkturpaket durchsetzen: 1,9 Billionen Dollar – vorgesehen sind darin unter anderem Direktzahlungen an Bürger in Höhe von 1.400 Dollar (rund 1.150 Euro) pro Kopf. Biden schlägt auch vor, Arbeitslosenhilfen auszuweiten und erneut zu verlängern.

Die Länder Südamerikas sind nach wie vor von stark steigenden Fallzahlen geprägt. Vielerorts gibt es sowohl massive strukturelle als auch politische Probleme, die durch die Pandemie noch verschärft werden. In Brasilien etwa sorgt das politische System für extreme Unsicherheit und in Peru verzeichnete man im zweiten Quartal 2020 einen Wirtschaftseinbruch von 20%.

Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas hängt von seinem wichtigsten Handelspartner, den USA, ab. „Es ist im Netzwerk der US-Exporte gefangen“, so Kirschner.

Wirtschaftliche Folgen für Europa

Sinkende Fallzahlen werden in Europa mit gesundheitspolitischen Maßnahmen erkauft und so befinden sich zahlreiche Länder derzeit wieder in einem mehr oder weniger intensiven Lockdown. „Die Wirtschaft wurde in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark getroffen“, weiß Kirschner. Die nördlichen Länder – allen voran Schweden mit einem Wirtschaftseinbruch von „nur“ 3,5 bis vier Prozent – haben vergleichsweise geringe wirtschaftliche Probleme. Und auch Deutschland und Österreich könnten auf der Gewinnerseite stehen. „Sie werden vermutlich gestärkt aus der Krise hervorgehen“, so die Einschätzung Kirschners. Dies nicht zuletzt dadurch, dass viel Geld zur Stützung der Wirtschaft ausgegeben wird, was auch Wirkung zeige. Deutschland ist ein Industrieland das stark im Export und bei Innovationen ist. Die Probleme könnte es diesmal besser meistert als die Wirtschaftskrise im Jahr 2008.

Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland hingegen werden wohl zu den Verlierern innerhalb der EU zählen – nicht zuletzt durch ihre starke Abhängigkeit von Tourismus und Dienstleistungen.

Schlecht sind die Aussichten auch für die Wirtschaft im Vereinigten Königreich, das noch zusätzlich die Folgen des Brexit stemmen muss.

Asien: Kontinent der Unterschiede

Die wirtschaftliche Entwicklung am asiatischen Kontinent ist sehr heterogen. So hat die Corona-Krise manche Länder – wie etwa Indien – ganz massiv getroffen. Aufstrebende Industrieökonomien wie beispielsweise Südkorea oder Taiwan hingegen würden wirtschaftlich erstaunlich gut durch die Pandemie kommen, so Kirschner. „Hier ist der Wirtschaftseinbruch nur halb so stark wie in Europa.“ Zum Teil habe man auch ganz drastische Maßnahmen gegen die Pandemie gesetzt. In Japan gab es zunächst einen starken Wirtschaftseinbruch, die Erholung sei dann schneller und deutlicher gekommen als erwartet. Auch hier baut man auf massive Hilfsprogramme. Als großer wirtschaftlicher Gewinner wird wohl China aus der Pandemie hervorgehen. Als einzige Region weltweit wird das 1,4 Milliarden Einwohner zählende Land selbst in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum erzielen. Kirschner geht von einem Plus von zwei bis 2,2% aus. Zudem stiegen zuletzt die chinesischen Exporte stark, im November 2020 um 21% im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Afrika kämpft mit vielen Problemen

Viele Länder Afrikas haben auch ohne Corona massive Probleme. „Der wirtschaftliche Haupteffekt der Pandemie auf dem afrikanischen Kontinent ist die sinkende Nachfrage am Weltmarkt“, so Kirschner. „Viele Länder müssen sich nun stark verschulden, Staatseinnahmen brechen weg und strukturelle Probleme werden verstärkt.“ Durch das geringe Wirtschaftswachstum und das starke Bevölkerungswachstum werde der Migrationsdruck als Folge von Corona noch steigen. Am besten kommen die vergleichsweise reichen Länder Nordafrikas durch die Krise, am schlechtesten der Bereich von Zentralafrika bis nach Südafrika, das stark von sinkenden Rohstoffpreisen getroffen wird.

Australien: Ende des Wachstums

Australien und Neuseeland haben sich seit Beginn der Pandemie extrem vom Rest der Welt abgeschottet. Nichtsdestotrotz sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Australien enorm. „Das 20 Jahre andauernde durchgehende Wirtschaftswachstum hat ein jähes Ende gefunden“, führt Kirschner aus. „Zudem ist das Land von der Verschiebung der Wachstumspole in Asien besonders betroffen.“ Die Stärke Chinas schwächt Australien. Als größter Rohstoffproduzent der Welt ist das Land von einem Rückgang der Nachfrage besonders betroffen. Die praktizierte Abschottung werde es dem Land zudem schwer machen, international aktiv zu werden, erläutert Kirschner.

Corona aus der Sicht des Kreditversicherers

Zahlungsausfälle allerorts machen sich in der Coface-Länderrisikobewertung deutlich bemerkbar

Der Kreditversicherer Coface hatte 2020 erstmalig insgesamt 71 von 162 Ländern und 134 Branchen in 28 Ländern herabgestuft. Österreich hat als eines der wenigen Länder seine Bewertung mit A2* behalten. Deutschland wurde von den Ökonomen auf A3 herabgesetzt. Neben Deutschland hat Coface viele westliche Länder schlechter bewertet als zuletzt: Eine A3-Bewertung haben nun ebenfalls Frankreich, Belgien, Kanada, die USA, aber auch Portugal und Spanien. Daneben wurde Italiens Note von A4 auf B heruntergesetzt. Großbritannien trägt jetzt die Note A4 statt A3. Weitere österreichische Nachbarländer und Haupt-Exportpartner wie z.B. Ungarn, Polen und Tschechien haben ebenfalls ihre A3 Bewertung gegen eine A4 Note abgeben müssen. Nur vier Länder: Niederlande, Norwegen, Schweiz und Luxemburg behalten die Bestnote A1.

„Es gibt praktisch kaum eine Volkswirtschaft, die nicht in irgendeiner Form von COVID-19 negativ beeinflusst ist. Vielleicht beherrscht nicht der Virus das Land, aber im Regelfall hat mindestens ein großer Handelspartner mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen“, erläutert Declan Daly, Regional CEO der Coface für Zentral- und Osteuropa. So sei es nicht verwunderlich, dass von Mittel- und Osteuropa über Asien-Pazifik bis hin zu Afrika, dem Nahen- und Mittleren Osten sowie Lateinamerika in jeder Region Länder mit Herabstufungen zu finden seien. Dennoch ist nicht nur das Corona-Virus der einzige Faktor, der die Weltwirtschaft beherrscht, betont Daly: „Natürlich ist COVID-19 ein beherrschender Faktor. Seit diesem Sommer haben wir aber auch den Faktor Umweltrisiken und damit auch den Klimawandel in unsere Risikomodelle aufgenommen. Dies hat die Risikobewertung in vielen europäischen und afrikanischen Staaten ebenfalls gedrückt.“

*(Coface Risikoklassen: A1: sehr gering; A2: gering; A3: zufriedenstellend; A4: angemessen; B: ziemlich hoch; C: hoch; D: sehr hoch; E: extrem)

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