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Forschungsgebiet Nachhaltigkeit

von admin
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Dr. Fred Luks

Die Nachhaltigkeitsdebatte wirft viele Fragen auf und die Wissenschaft sucht nach Antworten. Nachhaltigkeit in der Forschung ist der Versuch, Mensch und Umwelt in Einklang zu bringen.

Nachhaltigkeitsforschung auf Hochschulen

Das Streben nach Nachhaltigkeit ist ein ständiger Such- und Lernprozess. Deshalb ist dieses Thema ein gefragtes Forschungsgebiet. Die Forschung verknüpft Theorie und Praxis – mit dem Ziel, neues Wissen zu erlangen sowie Methoden und Instrumente zu entwickeln, die entscheidend zur Nachhaltigkeit beitragen. Der Nachhaltigkeitsforschung wird vor allem an den großen heimischen Hochschulen viel Raum geboten. Die Universität für Bodenkultur Wien lässt hat sich als eine der ersten österreichischen Unis freiwillig verpflichtet, Nachhaltigkeit sowohl bei Lehr- als auch Forschungstätigkeiten voranzutreiben. Etwa das Thema nachhaltige Entwicklung. Auf der Homepage ist nachzulesen: „Forschung für eine nachhaltige Entwicklung generiert System-, Transformations- und Zielwissen, das die Gesellschaft bei Entscheidungs-, Anpassungs- und Lernprozessen unterstützt, wenn Lösungen und Antworten für Morgen gefunden werden sollen.“

Kompetenzzentrum auf der WU Wien

Aber auch an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) geht man Nachhaltigkeitsfragen auf den Grund. Die WU verfügt über ein eigenes Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit. Geleitet wird es von Dr. Fred Luks. „Die WU legt großen Wert auf eine internationale Akkreditierung, und die bekommt man heute nur noch, wenn man eine Nachhaltigkeitskompetenz vorweisen kann“, sagt der gebürtige Deutsche, der das Kompetenzzentrum als Service- und Netzwerkstelle bezeichnet, das die aktuellsten Nachhaltigkeitsthemen an Professoren und Studierende heranführt.

In Dialog treten mit der Gesellschaft

Es sind vor allem vier Schwerpunkte, in denen Nachhaltigkeit gefördert wird: Lehre, Forschung, Hochschulmanagement und die sogenannte Third Mission, also die Interaktion mit der Gesellschaft. Nach Ansicht von Dr. Fred Luks  ist es unerlässlich, dass die Forschungsergebnisse in die Welt hinausgetragen werden. Deshalb wird der dritten Mission besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet: „Wir haben in den letzten sechs Jahren sehr viele Veranstaltungen initiiert und mit den Events über 10.000 Menschen erreicht.“ Die Diskussion, wie Nachhaltigkeit funktioniert, soll nicht nur im akademischen Bereich geführt werden, sondern mit der Zivilgesellschaft. Von Medien über Wirtschaftsunternehmen bis hin zu den Banken.

Chancen und Grenzen der Nachhaltigkeitstransformation

Die Bedeutung der Nachhaltigkeitsforschung müsse der Bevölkerung umso stärker vermittelt werden, je populistischer sich die aktuelle Weltpolitik präsentiere. „Denn momentan regiert eher eine Politik der Nostalgie und nicht eine Politik der Zukunft, und das ist für die Nachhaltigkeitsziele ein Riesenproblem“, gibt Luks zu bedenken. Das Kompetenzzentrum tut seinen Teil und bringt beispielsweise regelmäßig Bücher heraus – ein erster Sammelband fokussierte auf die allgemeine wirtschaftliche Nachhaltigkeitsforschung. Der erst kürzlich erschienene neue Band „Chancen und Grenzen der Nachhaltigkeitstransformation“  stellt die Transformation – ein zurzeit dominierendes Thema, dem sich auch die Nachhaltigkeitsforschung massiv widmet – in den Mittelpunkt.

Der große Trend: Transformation

Vor zehn Jahren hat im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit noch niemand von Transformation gesprochen. „Heute ist es das Wort der Stunde“, sagt Fred Luks. So seien etwa sogar die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen explizit als Transformationsagenda verpackt worden. „Nachhaltigkeit braucht kleine Schritte, aber am Ende muss die große Transformation dabei herauskommen. Das bedeutet, alles, was uns ausmacht, wird sich fundamental ändern. Das betrifft die Art, wie wir uns ernähren, bis hin zu der Art, wie wir Bankgeschäfte erledigen. Ändert es sich nicht fundamental, dann werden wir keine Nachhaltigkeit erzielen“, so der Experte.

Keine Transformation ohne Banken

Fred Luks sieht einen zweiten Trend, der mit Transformation unmittelbar in Verbindung steht: „Sustainable Finance erhält immer mehr Gewicht.“ Für Luks, der selbst im Nachhaltigkeitsmanagement bei einer großen Bank tätig war, bevor er an die WU Wien kam, ist dieser Bereich besonders spannend. „Corporate Social Responsibility (CSR) hat in den Banken Einzug gehalten, und das ist auch dringend notwendig, denn es wird keine Transformation ohne Banken geben.“ Der Grund liegt auf der Hand: Jede innovative Idee, die aus der Forschung geboren wird und die Nachhaltigkeit fördert, benötigt zur Umsetzung eine Finanzierung. Im Bereich Energiewende tut sich hier etwa gegenwärtig gerade sehr viel. Banken werden in Zukunft verstärkt Unternehmen bei der Finanzierung nachhaltiger Projekte unterstützen. Die Erkenntnisse aus der Forschung haben sicher dazu beigetragen, dass in Banken eine Bewusstseinsveränderung stattgefunden hat. „Hätte man vor zehn Jahren einen Bankmanager zum Thema Nachhaltigkeit befragt, hätte er wahrscheinlich nicht viel sagen können. Heute kommt kaum noch eine Bank ohne Nachhaltigkeitsmanager aus“, so der Norddeutsche. „Das verleiht Banken eine neue Kompetenz.“

Nachhaltigkeit als Reputationsthema

Banken leben von Vertrauen. Das Vertrauen hat durch die Finanzkrise stark gelitten. Nun bietet Nachhaltigkeit die Chance, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Dazu müssen Banken die Kommunikation mit der Wissenschaft forcieren, um sowohl über Forschungsaktivitäten auf dem aktuellsten Stand zu sein als auch Synergieeffekte zu bewirken. Andererseits sollten Bankinstitute durchaus auch selbst forschend aktiver werden. „Denn in Banken steckt viel Wissen, das sich eignet, es für die Forschung zu öffnen.“ Generell sei der Blick über den Tellerrand Gebot der Stunde. „Etwa in der Entwicklung innovativer Nachhaltigkeitsprodukte der Banken. Hier müssen die Perspektiven unterschiedlichster Branchen zusammengeführt werden“, so Luks.

Die einfache Lösung gibt es nicht

Die Nachhaltigkeitsforschung versucht aufzuzeigen, wie Nachhaltigkeit geht.  Dazu eine Warnung: Die einfache Lösung gibt es nicht. „Ich misstraue Personen, die behaupten, den goldrichtigen Weg gefunden zu haben“, meint Fred Luks und nennt zwei Beispiele. Ein Ansatz sieht die Lösung in der Postwachstumsökonomie. Der bekannte deutsche Volkswirt Niko Paech vertritt in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“ die These des Entschleunigens und Entrümpelns der Welt. „Der Grundgedanke ist mir durchaus sympathisch, aber eine Wirtschaft ohne Wachstum lässt sich kurzfristig sicher nicht realisieren.“ Ein anderer Ansatz sieht die Lösung in der Gemeinwohlökonomie, wie sie etwa der österreichische Aktivist und Initiator des Projekts „Bank für Gemeinwohl“ vertritt. „Der Kapitalismus lässt sich nicht mit ein paar Reformen abschaffen und dann wird alles gut“, kritisiert Luks. „Niemand kann heute voraussagen, wie die nachhaltige Gesellschaft in Zukunft aussehen wird.“ Das versucht Fred Luks auch in seinem aktuellen Buch „Ausnahmezustand“aufzuzeigen. „Umso wichtiger ist es, dass auch die Forschung sich breit aufstellt und so viele Facetten wie möglich einfließen lässt. Nachhaltigkeit ist nicht nur Umwelt oder CSR, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung, bei der viele kleine und große Initiativen zusammenspielen.“

Dr. Fred Luks

Zur Person

Dr. Fred Luks hat in Hamburg und Honolulu Volkswirtschaftslehre studiert und leitet das Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit an der WU Wien. Er beschäftigt sich seit langem in Forschung, Lehre und Management mit Zukunftsfragen. Wie viel er über Nachhaltigkeit zu sagen hat, zeigt sein großes Repertoire an selbst verfassten Büchern zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen. Sein aktuellstes, „Ausnahmezustand“, ist im April 2018 erschienen. Auch in seinem Blog ist Nachhaltigkeit ein großes Thema.

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