Unternehmer-AlltagWirtschaft Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling von Niloofar Soleimanian 13.09.2022 13.09.2022 8 Minuten lesen 976 Kreislaufwirtschaft gewinnt bei österreichischen Unternehmen an Bedeutung. Jedes zweite Unternehmen versteht darunter jedoch lediglich Recycling. Wie können Unternehmen von einer Circular Economy profitieren? Wann sind die ökologischen Grenzen unseres Planeten erreicht? Die verfügbaren Ressourcen – die sogenannte Biokapazität – sind nicht unendlich vorhanden. Laut WWF Living Planet Report bräuchte die Menschheit bereits 1,6 Erden, um ihren Bedarf an Energie, Nahrung, Land sowie Wasser zu decken. Und unser ökologischer Fußabdruck wächst kontinuierlich weiter. Traditionelle Geschäftsmodelle behandeln Ressourcen häufig als unendlich. Nicht so die Circular Economy, also die Kreislaufwirtschaft. Sie wird häufig im Kontext von Nachhaltigkeit erwendet. Anders als die Wegwerfwirtschaft – also die vorherrschende Linearwirtschaft mit kurzen Produktlebenszyklen – zielt sie auf die Minimierung von Ressourceneinsatz und Abfallproduktion sowie auch von Emissionen, Umweltverschmutzung und Energieverbrauch ab. Kreislauf statt Einbahnstraße. Recycling und Rückführung von Werkstoffen sind wohl die bekanntesten Faktoren für eine Kreislaufwirtschaft. Es gehört jedoch deutlich mehr dazu. Was heißt nun kreislauffähiges Wirtschaften? Wie können Unternehmen von einer Kreislaufwirtschaft profitieren? Was bedeutet Kreislaufwirtschaft? Der durchschnittliche Materialverbrauch liegt in Österreich nach Angaben des Umweltministeriums (siehe Entwurf der heimischen Kreislaufstrategie bei 19 Tonnen pro Jahr (Wert aus 2018). Damit liegen wir über dem EU-Schnitt von 14 Tonnen pro Jahr. Kreislaufwirtschaft beschreibt ein deutlich breiteres Konzept als bloßes Materialrecycling. Sie nimmt den gesamten Lebenszyklus von Rohstoffen und Produkten in den Blick. Dieser Fokus erfordert einen neuen Ansatz bei allen wesentlichen Stufen: Vom entsprechenden Design, der Langlebigkeit eines Geräts, der Möglichkeit der Reparatur und Wiederverwertung des Produktes bis hin zum Geschäftsmodell des Pay-per-Use oder Sharings statt des Kaufens und Besitzens. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert systemweite Innovationen, um das (wirtschaftliche) Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Kreislaufwirtschaft betrifft alle Aspekte der Wertschöpfungskette. Drei Handlungsfelder: Produktion und Design: Durch ausgeklügeltes Design, intelligente Konstruktion und Herstellung werden Produkte für eine möglichst lange Lebensdauer, Wiederverwendung und fürs Recycling ausgelegt. Sie werden mit geringem Einsatz von natürlichen Ressourcen und möglichst frei von Schadstoffen hergestellt. Aufbereitete Materialien (Recycling) werden wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt, wodurch die Ressourceneffizienz steigt. Konsum und Nutzung: Produkte werden intensiver und so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf genutzt – etwa durch Teilen (Sharing) oder Pay-per-Use –, ohne sie zu erwerben. Attraktive Geschäfts- und Nutzungsmodelle sowie Informationen für Konsumenten unterstützen diesen Ansatz. Die Wiederverwendung, Reparatur, Aufarbeitung (refurbishing) und andere Weiternutzung (repurposing) von Produkten sind wichtige Grundsätze. Recycling und Sekundärrohstoffe: Der Materialbedarf für die Produktion wird so weit wie möglich durch hochwertige Sekundärrohstoffe aus dem Recycling gedeckt, Material- und Stoffflüsse werden geschlossen. Kapital im regionalen und genossenschaftlichen Kreislauf Ein weiterer wichtiger Aspekt einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft ist, das Kapital im regionalen Wertekreislauf zu halten und nicht nomadisierend auf die globale Reise zu schicken. Dass das Thema Genossenschaften somit sehr gut zur Kreislaufwirtschaft passt, zeigt die Rolle der Volksbank im nachhaltigen, genossenschaftlichen Wertekreislauf. Der Fokus liegt darin, die Hausbank der Kundinnen und Kunden in der Region zu sein. Mit diesem Schwerpunkt auf die Regionalität werden Wege „kurz gehalten“. Für die Beratung sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regionen zuständig, die ihre Kundinnen und Kunden zum Teil seit vielen Jahren kennen. Finanzierungs- und Liquiditätstransfers erfolgen in die Region. Die Wünsche der Verbraucher Nachhaltigkeit hat sich als Kaufkriterium etabliert. Für Konsumenten spielt dieses Thema laut einer Studie des Unternehmensberaters Ernst & Young eine große Rolle. Mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) gibt an, auf Langlebigkeit zu achten. Bei der jüngeren Generation der 19- bis 29-Jährigen sind es mehr als 70 Prozent. Zwei Drittel (67 Prozent) sind sogar bereit, für ein nachhaltiges Produkt mehr zu bezahlen. Und 70 Prozent der Befragten sind sich einig, dass das Thema Nachhaltigkeit in den kommenden fünf Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Konsumenten informieren sich auch immer öfter über die Herkunft der Produkte. So nennen 46 Prozent der Befragten Materialien und Inhaltsstoffe als ein wichtiges Merkmal für die Kaufentscheidung. Am wichtigsten bleibt zwar der Preis (57 Prozent), die Langlebigkeit liegt aber nur knapp dahinter (55 Prozent). Mehrwert für Unternehmen durch Kreislaufwirtschaft Mit dem stetig steigenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit wird für Unternehmen die Implementierung einer Kreislaufwirtschaft umso wichtiger. Etwa zwei Drittel der Unternehmen sind laut Circular Economy Barometer der Meinung, dass es für das Geschäft wichtig sei, sich als nachhaltiges Unternehmen zu positionieren. Die Konsumenten belohnen immer häufiger Unternehmen, die in ihren Geschäftsmodellen auf Nachhaltigkeit setzen. Wie können Unternehmen von einer Kreislaufwirtschaft profitieren? Die einfache Einhaltung von Umweltauflagen bis hin zu einem verbesserten grünen Image: Durch eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks ergeben sich für Unternehmen Vorteile in unterschiedlichen Bereichen. Höhere Produktivität und Effizienz: Mit einem geschlossenen Kreislauf entstehen direkte Kostenreduktionen und Einsparungen. Das Schließen des Kreislaufs generiert wertvolle Daten über Produktion und Lieferkette, Ausfallraten und Nutzungsmuster von Kunden. Erhöhte Kundenbindung, bessere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Resilienz: durch die Rückführung und Wiederverwendung von Ressourcen kann die Wertschöpfungskette von Unternehmen widerstandsfähiger gemacht werden. Dafür braucht es Entscheider, die bereit sind, eine langfristige Sichtweise einzunehmen – und Investitionen, die sich eventuell erst mittel- oder langfristig auszahlen. Kreislaufwirtschaft: Leitfaden für Unternehmen Kreislaufwirtschaft ist in ihrer Gesamtheit ein komplexes Thema für Unternehmen. Technologische und unternehmerische Innovationen sind zentrale Hebel dafür, um dieses gezielt umsetzen zu können. Dabei geht es nicht nur um neuartige Technologien, sondern auch um die Umgestaltung der Organisation und Neuausrichtung des Geschäftsmodells. Sie sind Voraussetzung dafür, dass Unternehmen die Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Zirkularität erfolgreich meistern und die Transformation gelingt. Unternehmensberater Ernst & Young hat einige grundsätzliche Empfehlungen aufgestellt, wie Unternehmen beim Thema Kreislaufwirtschaft aktiv werden können. Die vier zentralen lauten: Im Bezug auf Kreislaufwirtschaft ist ganzheitlich zu denken, einzelne Aktionen verlaufen lediglich im Sand. Das Ziel ist die Transformation der kompletten Wertschöpfungskette, daher muss die Kreislaufwirtschaft in die Unternehmens-DNA integriert werden. Strategische Allianzen bilden: Die Kreislaufwirtschaft kann von einem Unternehmen nur schwer alleine angegangen werden. Um für alle Beteiligten einen Mehrwert zu schaffen, sind Partnerschaften mit Lieferanten, Kunden oder sogar Mitbewerbern einzugehen. Start-ups können darüber hinaus wertvollen Input liefern. Mit Digitalisierung Transparenz schaffen: Die Digitalisierung ist ein wichtiger Katalysator für die Kreislaufwirtschaft. Denn neue Technologien eröffnen neue Wege, um Strategien der Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Mittels künstlicher Intelligenz und Big Data können große Datensätze gesammelt und ausgewertet werden. Dadurch werden Prozesse transparent abgebildet, Schwachstellen und Potenziale identifiziert. Ein umfassendes Ökosystem schaffen: Um Kreislaufwirtschaft umzusetzen und effizient zu nutzen, sollten Unternehmen ein eigenes Ökosystem entwickeln, in dem Produkte zurückgeführt und wiederverwertet werden. Produktion, Beratung, Service, Wiederverwertung – das Unternehmen wird so zu einer Plattform, in der alles zusammenfließt. Expertentalk: Wie lässt sich die Kreislaufwirtschaft wirksam finanzieren? Die Finanzierung der Kreislaufwirtschaft wird aufgrund der wachsenden Nachfrage von Investoren und Unternehmensaktionären nach nachhaltigen Finanzierungen immer wichtiger. Trotz des jüngsten Wachstums sind die Finanzierungen und Ausgaben für die Kreislaufwirtschaft im Vergleich zu anderen grünen Finanzierungen und zu den Ausgaben in der linearen Wirtschaft aber nach wie vor gering. Über die Rolle privater Investitionen im Übergang zur Kreislaufwirtschaft diskutieren Experten (darunter Rainer Borns, Vorstandsdirektor der Volksbank Wien AG) am 13. Oktober 2022 beim csrTAG 2022. NachhaltigkeitPlanungStrategieUmweltWirtschaftZukunft 0 FacebookTwitterLinkedinEmail voriger Beitrag Mit Anlauf zum Erfolg nächster Beitrag Export kann KMUs neue Chancen bieten Ähnliche Artikel Inventur: Mit der richtigen Vorbereitung Zeit sparen 30.10.2024 Zahlen & Daten der Wirtschaft 28.10.2024 Zahlen & Daten der Wirtschaft 13.10.2024 So haben Sie Ihren Energieverbrauch im Griff 03.10.2024 SEO bei Social Media für mehr Reichweite 25.09.2024 KI kann die Wirtschaft revolutionieren 03.09.2024 Teilzeitbeschäftigung in Österreich 03.09.2024 Generationenwechsel: Erfolgreiche Unternehmensübergabe leicht gemacht 23.08.2024 Frauen bringen Schwung in Österreichs Wirtschaft 21.08.2024 Österreichs Startup-Szene 06.08.2024