Blogstart Digital Web3 – eine erneute Revolution des Internets? 

Web3 – eine erneute Revolution des Internets? 

von Niloofar Soleimanian
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Web3- revolution des Internets

Web3 ist in der Tech-Szene das Wort der Stunde. Mit Web3 soll das Internet, wie wir es kennen, umstrukturiert werden. Die dritte Iteration soll dezentraler und demokratischer werden. Eine durchgehende „Finanzialisierung“ allen Netzverkehrs soll möglich sein. Aber was bedeutet das konkret? 

„Es ist Zeit, ein besseres Internet zu erschaffen“: Mit diesen Worten beginnt Andreessen Horowitz sein Plädoyer für die Umstrukturierung des Internets. Das Wagniskapital-Unternehmen mit Sitz im Silicon Valley veröffentlichte Anfang 2022 zehn Prinzipien, die helfen sollen, dieses bessere Internet umzusetzen. Die Rede ist vom Web3. Wie im Silicon Valley üblich, scheut sich Andreessen Horowitz nicht vor großen Worten: Web3 soll das größte globale Technologie-Projekt werden. Es soll die Art, wie Anlagegüter und Vermögen rund um den Erdball transferiert werden, komplett verändern. Eine durchgehende „Finanzialisierung“ allen Netzverkehrs soll möglich sein. Die Rufe nach dem Web3 werden immer lauter und kommen von immer mehr Seiten: Tim Berners-Lee, der Vater des Internets, die Mozilla Foundation und andere fordern ebenfalls ein dezentrales Internet. 

Was ist Web3? 

Web3 gilt als Nachfolger des bisherigen Internets und soll mit diesem koexistieren. Es wird als dritte Generation des Internets gesehen. Die Entwicklung des Internets lässt sich grob in folgende Stufen einteilen: 

  • Web1das Read-only-Web (Nur-lesen-Web): Bis in die frühen 2000er-Jahre setzte sich das Internet vornehmlich aus statischen Webseiten zusammen, die sowohl von Unternehmen als auch Privaten betrieben wurden. Im Web1 gab es so gut wie keine Interaktion, User agierten vor allem passiv im Internet, indem sie Inhalte lediglich konsumierten.  
  • Web 2 das Read-Write-Web (Lese-Schreibe-Web): Ab 2004 begann der Siegeszug der großen Plattformen. Diese Phase war und ist geprägt von direkten sozialen Interaktionen. User konnten selbst Inhalte ins Internet stellen – etwa auf Social-Media-Seiten, die jedoch von großen Unternehmen kontrolliert werden. Obwohl immer mehr Menschen online waren, konzentrierte sich der Traffic und Wert, der im Web generiert wird, in einem überdimensionierten Ausmaß auf wenige Top-Unternehmen, wie z. B. die großen Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen. Diese zentralisierten Einrichtungen haben eine starke Stellung in weiten Teilen des Internets, die Kontrolle über die Dienstleistungen, die von den Usern genutzt werden, sowie die Daten, und entscheiden einseitig, was erlaubt sein soll und was nicht. Es entwickelte sich eine sogenannte Plattformökonomie.  
  • Web3das Read-Write-Own-Web (lesen, schreiben, besitzen): Dieses ist momentan eher das Idealbild eines zukünftigen Webs als ein nutzbarer Technologie-Stack, auf dem Entwickler direkt aufbauen können. Die dritte Iteration des Internets soll dezentraler und demokratischer werden, sie soll von den Nutzern aufgebaut werden und möchte den Besitz den Usern geben – so zumindest die Vision. 

Der Kern von Web3

Das Internet in seiner aktuellen Form erfordere zu viel Vertrauen, so Gavin Wood. Der Mitbegründer der Ethereum-Blockchain prägte den Begriff Web3 maßgeblich mit. Das bedeutet, der größte Teil des Internets beruht auf dem Vertrauen in eine Handvoll privater Unternehmen. Diese Zentralisierung des Internets sei auf Dauer gesellschaftlich nicht durchführbar, so Wood. Noch gibt es keine eindeutige Definition von Web3, jedoch einige Grundprinzipien, die für dessen Entwicklung als maßgeblich gelten: 

  • Web3 ist dezentral: Während zahlreiche Bereiche des Internets von wenigen zentralisierten Einheiten kontrolliert und besessen werden, wird das Eigentum auf die Kreatoren und User verteilt. 
  • Web3 benötigt keine Berechtigung (permissionless): Jeder hat gleichen Zugang, um im Web3 mitmachen zu können, niemand wird ausgeschlossen. 
  • Web3 hat direkte Bezahlmöglichkeiten (native payments): Es werden Kryptowährungen verwendet und es basiert nicht auf der Infrastruktur von Banken oder anderen Zahlungsanbietern. 
  • Web3 ist „unzuverlässig“: Es baut nicht auf dem Vertrauen gegenüber dritten Parteien auf, sondern setzt Mechanismen der Marktwirtschaft und Incentives ein. 

Das spiegelt sich auch im Leitbild der Web3 Foundation wider, die sich zum Ziel gesetzt hat, „innovative Anwendungen für dezentrale Websoftware-Protokolle zu fördern“, und zwar über ein „dezentrales und faires Internet, in dem die Nutzer ihre eigenen Daten, ihre Identität und ihr Schicksal kontrollieren“. 

Wie funktioniert das Web3?

Technische Grundlage notwendiger Funktionen von Web3 als dezentrales Ökosystem sind verteilte Systeme wie etwa die Blockchain, die Technologie des dezentral geführten Kontobuches ist vor allem durch Kryptowährungen bekannt. Im gegenwärtigen Internet laufen derzeit die meisten Anfragen über die zentralisierten Serverfarmen der großen Technologiefirmen, auf denen dann auch unsere persönlichen Informationen gespeichert werden. Die Blockchain ermöglicht den sicheren Austausch persönlicher Daten für das Validieren der Identität der Nutzer auf sichere und dezentrale Weise, ohne dafür eine „vertrauenswürdige“ Plattform oder einen Mittelsmann zu benötigen. Dadurch könnte es keine Datensilos mehr geben, wie sie Google, Facebook & Co. derzeit unterhalten. Die Blockchain macht jede Transaktion transparent und damit nachvollziehbar, sie kann bestimmten Personen zugeschrieben werden.  

Was ist neu am Web3? 

Durch NFT (Non-fungible Tokens), die ebenfalls auf der Blockchain basieren, wird das direkte Eigentum im Web3 ermöglicht. Dadurch können digitale Assets verkauft und gehandelt werden. Web3 ermöglicht dem User den Besitz von digitalen Gütern (Assets) in einer noch nie dagewesenen Form. Ein Beispiel: Wenn im Web2 ein User in einem Game ein In-Game-Item kauft (neue Fähigkeiten, eine weitere Waffe etc.), ist dieses direkt mit dem eigenen Account verbunden. Wenn der Spielehersteller den Account löscht, ist auch dieses erworbene Item verloren. Dasselbe gilt auch, wenn der User an dem Game kein Interesse mehr hat und es nie wieder spielt. Als NFT geht das Item jedoch in den Besitz des Users über. Dieser kann jederzeit damit handeln und es verkaufen.

„Finanzialisierung“ des Internets

Blockchain, NFT und Kryptowährungen treiben die Geschäftsmodelle und die Ökonomie von Web3 an, was neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. Es wird auch möglich, sich für Arbeit im Internet bezahlen zu lassen. Ansätze dieser „Finanzialisierung“ gibt es bereits: Auf Gaming-Plattformen kann man allein durchs Spielen Tokens verdienen (Stichwort Play2Earn). Solche Spiele haben auch gemeinnützige Organisationen hervorgebracht, die die Spieleinnahmen für wohltätige Zwecke nutzen. In Diskussionsforen wie Reddit erhält man je nach Beteiligung ebenfalls Tokens und bekommt dadurch größere Aufmerksamkeit. Business könnte direkt nach dem Peer-to-Peer-Modell stattfinden, ganz ohne Mittelsmann wie Banken, Plattformen oder andere „vertrauenswürdige“ Dienstleister. Dezentralisierte Finanzen (DeFi) dabei ein zentrales Schlagwort. DeFi-Protokolle bieten Benutzern Kredit- und Leihdienstleistungen, die von Smart Contracts betrieben werden. 

DAO – ein neuartiges Unternehmensmodell

Eine DAO, eine dezentrale autonome Organisation (decentralized autonomous organization), ist eine selbstverwaltete Gruppe von Usern. Man kann sie sich wie ein börsennotiertes Unternehmen vorstellen, das dezentral von den Mitgliedern geführt wird. Ohne Führungsstruktur, jedoch mit einem gemeinsamen Ziel, basierend auf Smart Contracts. Anstelle von Aktien gibt die DAO aber sogenannte Tokens aus. Und je mehr Tokens eine Person besitzt, desto mehr Stimmrechte hat diese Person. Bei Abstimmungen einigen sich die Mitglieder auf Regeländerungen und künftige Strategien – die entsprechenden Änderungen werden mittels Smart Contracts automatisch vollzogen. Ein wenig schwingt der Begriff der Genossenschaft mit, jedoch auf der Technologie der Blockchain aufgesetzt. Befürworter von DAO sehen darin eine moderne Form der digitalen Verwaltung, weil alle Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sind. Das eröffnet viele neue Möglichkeiten für globale Zusammenarbeit und Koordination. 

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