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Eigene Lehrlinge ausbilden?

von Redakteur
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Fachkräftemangel trifft nahezu alle Branchen und Unternehmen. Ein effektives Mittel gegen dieses Problem kann sein, sich selbst um den Nachwuchs zu kümmern und eigene Lehrlinge auszubilden. Aber für einen funktionierenden Lehrbetrieb bedarf es einiger Voraussetzungen. Wir sagen Ihnen, wie Sie Ihr Unternehmen zum geeigneten Lehrbetrieb machen.

Wann eignet sich überhaupt ein eigener Lehrbetrieb?

Für große Unternehmen ist ein eigener Lehrbetrieb selbstverständlich, aber für Kleinunternehmen bedeutet es einen großen Aufwand. Der lohnt sich für alle, die dringend eine bessere Personalsituation benötigen und durch den Lehrbetrieb die benötigten Fachkräfte erlangen. Statistisch gesehen begrüßt die Mehrheit der Lehrlinge einen Verbleib beim ausbildenden Unternehmen. Hat man erst einmal alle rechtlichen und betrieblichen Hürden erfolgreich überwunden, steht dem Lehrbetrieb kaum noch etwas im Wege. 80 Prozent der Ausbildungszeit verbringt der Lehrling beim Lehrbetrieb, die restlichen zwanzig Prozent in der Berufsschule. 

Am Anfang steht der Eignungstest für den Antragsteller

Um Lehrlinge ausbilden zu können, muss ein Betrieb sich einem Feststellungsverfahren unterziehen. Einer Prüfung, ob sich ein Unternehmen für die Lehrlingsausbildung eignet. Erfüllt die Firma die rechtlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die neue Aufgabe? Den Antrag stellt man über die Lehrlingsstelle bei der Wirtschaftskammer. Pro Lehrberuf muss ein neuer Feststellungsantrag ausgeführt werden. Empfehlenswert ist es, sich rechtzeitig um den Bescheid zu kümmern und nicht erst kurz vor dem geplanten Start der Lehrlingsausbildung, um nicht in Zeitnot zu geraten oder gar Pläne verwerfen zu müssen.  

Die rechtlichen und betrieblichen Voraussetzungen

Geregelt sind die rechtlichen Belange der Lehrlingsausbildung im sogenannten Berufsausbildungsgesetz, kurz BAG. Erst 2020 gab es eine Novellierung, um die Gesetze an die veränderten Bedingungen anzupassen. Eine der Änderungen ist etwa, dass die Lehrzeit auch mit reduzierter Arbeitszeit realisierbar ist. Zudem muss für den Feststellbescheid geprüft werden, ob der Betrieb nach der Gewerbeordnung berechtigt ist, die Tätigkeiten durchzuführen, in denen die Lehrlinge ausgebildet werden sollen. Gleichzeitig wird darauf geachtet, ob der Betrieb in der Lage ist, alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten des jeweiligen Berufsbildes zu vermitteln. Genauso wichtig ist, dass kompetente Trainer die Lehrlingsausbildung abhalten. Nur Mitarbeiter mit Ausbildungsprüfung oder einer gleichwertigen Funktion kommen als Ausbildner infrage.

Die Ausbildung mit Partnern teilen

Es kann durchaus vorkommen, dass eine Firma nicht in der Lage ist, alle für die Lehre notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen. Der Zug ist für das Unternehmen deshalb aber nicht abgefahren. Kann ein Betrieb zum Beispiel nicht alle Fertigkeiten in vollem Umfang erfüllen, können die ergänzenden Ausbildungsmaßnahmen in alternativen Firmen oder Institutionen wie etwa dem bfi oder das Wifi, abgehalten werden. Prinzipiell ist das ein verpflichtender Ausbildungsverbund. Es gibt aber auch freiwillige Ausbildungsverbünde. Diese können eingegangen werden, wenn ein Unternehmen dem Lehrling zusätzlich besondere Qualifikationen vermitteln möchte. Es gibt auch Möglichkeiten, die Lehrlingsausbildung in Kooperation mit Partnern anzubieten. So können sich Unternehmen zusammenschließen, die alleine nicht alle Voraussetzungen für einen eigenständigen Lehrlingsbetrieb erfüllen. 

Vorteile eines eigenen Lehrbetriebs

Immer mehr Betriebe übernehmen die Lehrlinge, die sie selbst ausgebildet haben. Damit hat man im immer härter werdenden Kampf um die besten Köpfe bereits einen entscheidenden Vorteil. Noch dazu kann man die Lehrlinge gezielt auf Aufgaben vorbereiten, die das Unternehmen betreffen. Vor allem auf Veränderungen in der Arbeitswelt kann die Lehrlingsausbildung reagieren und somit genau jene Skills vermitteln, die in Zukunft benötigt werden. Gleichzeitig steigert man die Attraktivität des Unternehmens. Nicht nur, weil man als Lehrlingsbetrieb für Lehrlinge interessant ist, sondern auch, weil es viele Chancen gibt, das Image zu optimieren. Etwa durch die Teilnahme an nationalen und internationalen Wettbewerben, bei denen die Lehrlinge in den Fokus rücken und dafür sorgen, dass ein Unternehmen positive Schlagzeilen erhält.

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil: Lehrlinge senken den Altersdurchschnitt der Mitarbeiter eines Unternehmens und das kann wiederum für weitere Jugendliche als Attraktivität gesehen werden, bei dem Unternehmen anzuheuern. Schließlich gibt es auch noch einen finanziellen Vorteil. Für Lehrbetriebe gibt es viele Förderungen. Das beginnt bei der Basisförderung und geht über Kostenerstattung für Internats- bzw. Unterbringungskosten, über die Übernahmeprämie für Lehrlinge aus überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen bis hin zur Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen für Ausbildende. 

Nachteile eines eigenen Lehrbetriebs

Jedes Unternehmen, das sich überlegt, eine eigene Lehrlingsausbildung einzuführen, muss sich aber auch bewusst sein, dass diese Entscheidung weitere Ressourcen verlangt. Bis der erste Lehrling aus der eigenen Schmiede kommt, muss viel Zeit und Geld investiert werden. Das zahlt sich wirklich nur aus, wenn der Output nach einer Zeit groß genug wird, um letztlich vom Lehrbetrieb zu profitieren. Andererseits erspart sich ein Unternehmen die Kosten für Personalbeschaffung und Einarbeitung. Aber natürlich ist nicht jeder Lehrling ein Talent. Nach der Lehrzeit ist das ausbildende Unternehmen verpflichtet, den Lehrling mindestens drei Monate im Betrieb zu behalten. Je nach Beschäftigungsgrad in der Lehre, kann sich das Ausmaß auf eineinhalb Monate reduzieren oder auf fünf Monate verlängern. Angesichts des Fachkräftemangels ist das aber nur selten ein Nachteil für eine Firma.

Qualitative Lehre ist das Um und Auf

Die eigentlichen Herausforderungen für ein Unternehmen beginnen nach dem positiven Ausbildungsbescheid. Jetzt geht es darum, den Lehrlingen eine qualitative Lehre zu bieten. Dazu zählen moderne Ausbildungsmethoden wie zum Beispiel E-Learning. Darüber hinaus steigt die Qualität, wenn man Zusatzangebote parat hat, wie etwa Auslandspraktika bei Partnerunternehmen, aber auch die Vermittlung von Soft-Skills, wie zum Beispiel Kommunikationsseminare und Persönlichkeitstraining. Bis hin zu Sportangeboten und Gesundheitsvorsorge. 

Feedback für positive Weiterentwicklung nutzen

Der Betrieb hat die Qualität der Ausbildung selbst in der Hand. Aktive Lehrbetriebe geben den Rat, so viel Feedback wie möglich von den Lehrlingen einzuholen. Einerseits um die Qualität des Unterrichts zu verbessern, andererseits um über veränderte Bedürfnisse der Lehrlinge am Laufenden zu bleiben. 

Aufmerksamkeit für das Lehrangebot schaffen

Aber was nützt die qualitativ beste Lehre, wenn die Lehrlinge ausbleiben? Lehrlingsmarketing sollte daher nicht vernachlässigt werden. Die Volksbank Wien AG ist da ein Vorbild. Die traditionelle Hausbank der Österreicherinnen und Österreicher bildet die Spezialisten für Aktien, Kredite und Zinsen der Zukunft aus. 2019 zeichnet die WKO die Volksbank als Top-Lehrbetrieb aus und verleiht ein Qualitätssiegel, das belegt, dass der Betrieb über langjährige Ausbildungserfahrung verfügt und durch hohe Qualität überzeugt. Das schafft bei den Nachwuchs-Bankern besonderes Vertrauen ins Unternehmen.

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